Literatur


 

Edith Mikeleitis gelingt es in ihrer Romanbiografie, sowohl das innere Ringen Böhmes um eine neue, zeitgemäße menschliche Selbsterkenntnis als auch seine Inspirationswirkungen im unmittelbaren und weiteren Umfeld auf andere auf sehr schöne und plastische Art und Weise nacherlebbar zu machen. Die Arglist der Widersacher, welcher jeder zu spüren bekommt, der sich wie Böhme in neue menschliche Möglichkeiten vorwagt, spart sie dabei nicht aus – auch das trägt zur Spannung dieses nicht nur sehr lebensnahen, sondern auch sehr geistvollen Buches bei. Denn wie nebenbei macht sie den Leser anhand der jeweiligen Entstehungs-geschichte von Böhmes Büchern auch mit dessen konkreten philosophischen Gedanken bekannt. Damit dieser erstaunliche philosophische Gehalt des Buches auf die sicher aus verschiedenen kulturellen Zusammenhängen stammenden Leser vorurteilsfrei wirken kann,  noch eine Bemerkung zum Entstehungskontext und einigen nur daraus verständlichen sprachlichen.

 

Dieter Liebig

Grünes Requiem, Der grüne Jakob

Grünes Requiem stand am Anfang der Auseinandersetzungen um Deutsch-Ossig (Das Dorf Deutsch-Ossig fiel dem Abbau der Braunkohle im Tagebauch Berzdorf zum Opfer). Sie war das Programm von „Mayflower“. Durch das Grüne Requiem konnte erstmals auf die Probleme  der Zerstörung von Natur öffentlich hingewiesen werden. Der Aufbau folgt der klassischen Requiem-Dichtung, der lateinische Text wurde aus der Vorlage Verdis übernommen. Die Einschübe entsprechen der Tradition des 20. Jahrhunderts, wodurch eine besondere Thematik möglich wurde (Auschwitz-Requiem, War-Requiem). Hier ist die Klage vorherrschend, das Dies irae, der Tag des Zornes, nimmt einen breiten Raum ein. Die Wiederkehr im Libera me mündet in das Errette mich. Im Bundesschluß mit der Erde bindet sich die Totenmesse für die Natur ein. Der grüne Jakob, der Dialog in der Landschaft ist im Advent des letzten Jahres der Kirche in Deutsch-Ossig entstanden. Er war als Trost und Bejahung des Aufbruchs gedacht. In sieben Tagen geht Jakob Böhme den Weg von Görlitz nach Altseidenberg. Den sieben Tagen ist der jeweilige Tag der Schöpfung vorangestellt und im folgenden Dialog abgehandelt. Auf seinem Weg reift Jakob Böhme zu den Erkenntnissen seiner „Morgenröte im Aufgang“. Im „Grünen Jakob“ begegnen sich Historie und Wirklichkeit. Die Historie, das sind die Geschehnisse um Böhmes Person und Werk, die Wirklichkeit ist eine Landschaft, die versehrt oder nicht mehr vorhanden ist (Grundberg, Kirche Deutsch-Ossig). Zwischen diese beiden Pole sind Böhmes Gedanken eingespannt.  


 

 Höre du blinder Mensch, Max Hopp spricht Jacob Böhme  

  Max Hopp spricht Jacob Böhme. Alle gesprochenen Texte entsprechen der Amsterdamer  Ausgabe von 1730 der Theosophia Revelata oder Alle Göttliche Schriften 

 Jacob Böhmes.


 

Der Mystiker Jacob Böhme - Textauswahl und Kommentar von Gerhard Wehr

Schelling rühmte den Görlitzer Schuster Jakob Böhme und seine mystisch-theosophischen Schriften als „Eine Wundererscheinung in der Geschichte des   deutschen Geistes“. Philosophen wie Leibnitz und Hegel, Feuerbach und Ernst Bloch haben ihn ebenso intensiv studiert wie spirituell suchende Menschen jeder Couleur. Es hat ein neues Fragen begonnen, wie Böhme Gott, Natur und Mensch einer Gesamtschau unterzieht und wie der innere Weg aussieht, den er beschreibt. Der Böhme-Interpret Gerhard Wehr hat exemplarische Texte des Naturphilosophen und des kundigen Seelenführers ausgewählt. Sie stammen aus der berühmten Aurora oder Morgenröte im Aufgang, aus Böhmes Dialogen und Briefen:  „So man will von Gott reden, was Gott sei, so muss man fleißig erwägen, die Kräfte in der Natur.


 

Nun fahr ich hin ins Paradeis - Jacob Böhme Requiem 

 CD „Nun fahr ich hin ins Paradeis, Jacob-Böhme-Requiem“ der Evangelischen Kirchenmusikschule Görlitz.



Jakob Böhme, Beschreibung der drei Prinzipien göttlichen Wesens

Beschreibung der drei Prinzipien göttlichen Wesens ist ein unveränderter, hochwertiger Nachdruck  der     Originalausgabe aus dem Jahr 1682. Hansebooks ist Herausgeber von  Literatur zu unterschiedlichen Themengebieten wie Forschung und Wissenschaft, Reisen und Expeditionen, Kochen und Ernährung, Medizin und weitere Genres. Der Schwerpunkte des Verlages liegt auf dem Erhalt historischer Literatur. Viele Werke historischer Schriftsteller und Wissenschaftler sind heute nur noch als Antiquitäten erhältlich. Hansebooks verlegt diese Bücher neu und trägt damit zum Erhalt selten gewordener Literatur und historischem Wissen auch für die Zukunft bei.


 

Jakob Böhme und die Romantiker, Jakob Böhmes Einfluss auf Tieck und Novalis

Jakob Böhme und die Romantiker, Jakob Böhmes Einfluss auf Tieck und Novalis von

Edgar  Ederheimer.  Nachdruck der Originalausgabe aus dem Jahr 1904.


 

Böhme Studien 1 

Mystik und Schriftkommentierung, Beiträge zur Philosophie und Philologie Jacob Böhmes.


 

Böhme Studien 2

Philosophie des Willens Böhme, Schelling, Schopenhauer


 

Böhme Studien 3

 Wie ist das Interesse von Ideologen des Dritten Reichs an „Traditionen deutscher Mystik“ zu erklären? Handelte es sich um ein Mißverständnis? Wurde eine Nebensache für das Eigentliche genommen? Oder gibt es doch substantielle Gemeinsamkeiten, an die der Nationalsozialismus anknüpfen konnte?  Diese Fragen standen auf der Tagung „Mystik und Totalitarismus“, die das Internationale  Jacob-Böhme-Institut im März 2011 in Frankfurt a. M. veranstaltete, im Mittelpunkt. Die hier  abgedruckten Beiträge sind erste Schritte auf dem Weg zu einer Erhellung dieses Zusammenhangs.

 

Alles in Allem, Die Gedankenwelt des mystischen Philosophen
Ausstellungskatalog der staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Denken-Kontext-Wirkung Jacob 
 Böhmes


 

Grund und Ungrund, Der Kosmos des mystischen Philosophen

Ausstellungskatalog der staatlichen Kunstsammlungen Dresden, ein Aufsatzband.

 

Jakob Böhme

Eine Biographie über Jakob Böhme mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten dargestellt von Gerhard Wehr. Ein Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis: Generalreformation im Zeichen der Lilie, Jakob Böhmes Lebensgang, Theosophie, Christosophie, Nachwirkungen, Anmerkungen, Zeugnisse


  

Jakob Böhme - Theosophische Sendbriefe

Dies ist die erste vollständige Ausgabe der Theosophischen Sendbriefe Jakob Böhmes (1575-1624). Für den Kenner des umfangreichen literarischen Werks des geistesmächtigen „Philosophus teutonicus“ liegt die Bedeutung einer solchen Edition auf der Hand: Hier haben wir aufschlußreiche autobiographische Zeugnisse Böhmes vor uns. Wir erhalten Einblick in seine Lebensumstände. Er berichtet unter immer neuen Gesichtspunkten, auf welche Weise er der geistigen Schau und Erleuchtung teilhaftig geworden ist, und welchen Prozeß einer seelisch-geistigen Erneuerung er durchlaufen hat. Jakob Böhme erweist sich hier als erfahrener Seelenführer, der seinen auf dem inneren Weg befindlichen Freunden und Gefährten Rede und Antwort steht, indem er sie berät und auf ihre Schwierigkeiten eingeht



Jakob Böhme - Aurora oder Morgenröte im Aufgang

„Der Schuster Jakob Böhme war ein großer Philosoph. Manche Philosophen von Ruf sind nur große Schuster.“ Karl Marx

Wie ein aufrüttelnder Weckruf wirkte Böhmes berühmtes Erstlingswerk Aurora oder Morgenröte im Aufgang.  Es ist die Stimme eines Ergriffenen, der die Tiefe der Gottheit inmitten der Natur und ihren Kräften erfährt. Anfang eines lebenslangen spirituellen Prozesses steht das Initialerlebnis seiner Erleuchtung, das er im 19. Kapitel mit tastenden Worten zu schildern versucht. 

Vollständige Ausgabe


 

Film: Morgenröte im Aufgang

Kaum eine Figur steht so singulär zwischen den Epochen wie der große „Ungleichzeitige“ Jacob Böhme (1575- 1624). Während Gallei, Francis Bacon und Descartes die modernen Naturwissenschaften und den Rationalismus begründeten, schuf der Schuhmacher aus Görlitz ein Hauptwerk der Christlichen Theosophie, das die Philosophen des Deutschen Idealismus sowie Romantiker wie Novalis tief beeinflusste und das bis heute fasziniert.

Hermann Hesse schrieb über Böhme, die Lektüre seiner Texte erfordere „ein vorübergehendes `Leerwerden´, eine völlig freie Aufmerksamkeit und Seelenstille“. Der Aufgabe, diese Haltung zu erzeugen, stellen sich die Filmemacher um Ronald Steckel in diesem einzigartigen Film, in dem die Ideen und die bildgewaltige Sprache des „ ersten deutschen Philosophen“ (Hegel) die Hauptrolle spielen.

  


Jacob Böhme - Auf der Suche nach seiner Weltformel

Es hat sich herumgesprochen. Böhme-Schriften sind aufgetaucht, von denen bisher niemand etwas wusste. Der Überraschungsfund wurde bei Restaurierungsarbeiten in einem alten Hallenhaus in Görlitz gefunden. Böhme-Gelehrte aus Bamberg, Amsterdam, Verona und Akron begeben sich dorthin, um die Bögen zu studieren. Ein seltsamer Kauz taucht auf, der in Böhme einen Bruder im Geiste im Kampf gegen die Amtskirche sieht. Der Autor erlebt, wie die internationale Gelehrtenschar dem Gerücht nachgeht, die Weltformel sei in den jetzt entdeckten Schriften verborgen. Görlitz wird Schauplatz eines großen Welttheaters, in dem sich Philosophen, Naturwissenschaftler und Religionsreiferer Anfang des 17. Jahrhunderts begegnen und wie Jakob Böhme selbst auch ungewollt Zeitzeugen des Dreißigjährigen Krieges in der Lausitz und in Schlesien werden.

 

Jakob Böhme - Im Zeichen der Lilie, Aus den Werken des christlichen Mystikers

Gerhard Wehr, einer der ausgewiesensten Kenner der Werke Jakob Böhmes(1575-1624), hat die wichtigsten Texte des großen deutschen Mystikers für diese Ausgabe zusammengestellt und kommentiert.

 

 

O Sicherheit, der Teufel wartet deiner! Jacob Böhme-Lektüren

Lässt sich das, was Jacob Böhme in seiner Zeit bedeutete, für uns in wenigen Sätzen und in unseren Worten zusammenfassen? Vielleicht so: Ihm zufolge leben wir Menschen nicht jeder für sich allein, sondern alles um uns herum „lebt“. Die vielen Augen, oft in seinen Werken symbolisch abgebildet, sind die Augen, mit denen uns heute die Tiere anblicken, die Wälder und Flüsse, die Berge, auch die Städte, die Mega-Cities, die Hochhausschluchten, mit Tränen die Kriege, die Katastrophen, die Vertreibungen. All diese Blicke auf uns, auf unser Gewissen, wirft ein Wesen, das wir „Erde“ nennen können, „Natur“, „Ganzheit“, gleichviel: Wir sind nicht die einzigen Wesen, die das Wörtchen „Leben“ für sich beanspruchen können. Lesen wir einmal ein paar Seiten Jacob Böhme, und ersetzten wir, wo es geht, das Wörtchen „Gott“ durch das Wort „Leben“ oder durch das Wort „Sinn“: Dann wird die Richtung klar, wo die Lesbarkeit dieses Naturphilosophen heute liegen könnte.

 

Hier für alle zum Lesen für alle das Nachwort zur neu aufgelegten, schönsten und tiefsinnigsten Geschichte über Böhmes Leben und Denken (siehe oben):

 

 Warum ist Jacob Böhme tatsächlich der erste deutsche Philosoph ?

 

Als ich in den 80-ger und 90-iger Jahren des 20. Jahrhunderts in Berlin Philosophie studierte, kam Jacob Böhme dabei nicht vor. Er begegnete mir erst später, auf einer Neujahrswanderung auf dem Kammweg des Oberlausitzer Berglands. Dort steht am Rande des Weges, den vielleicht auch Böhme einst auf seinem Weg von Görlitz nach Dresden ging, ein großer Granitstein, in den einer der schönsten und tiefsinnigsten Gedanken Böhmes eingemeißelt ist: „Wem Zeit ist wie Ewigkeit, und Ewigkeit wie Zeit, der ist befreit von allem Streit.“

Dieser Gedanke faszinierte mich, und so begann ich, mich mit Jacob Böhme zu beschäftigen. Dies führte unter anderem zur Entdeckung, dass dieser Landstrich im Herzen Europas erstaunlich viele weltbewegende Geister hervorgebrachte hatte: nach Jacob Böhme u.a. Gotthold Ephraim Lessing, Johann Gottlieb Fichte, Rudolf Hermann Lotze und Rudolf Bahro.

Bei der Beschäftigung mit Böhme gingen mir immer wieder auch folgende zwei Fragen durch den Sinn:

Warum ist Jacob Böhme so wenig bekannt und anerkannt in der heutigen akademischen Philosophie? Und war und ist er tatsächlich der erste deutsche Philosoph?

Auf die erste Frage fand ich nach und nach eine Erklärung: Da Böhme nie ein offizielles Studium absolvierte und daher auch nie höhere akademische Weihen erlangte, sondern sein Wissen durch intensives Selbststudium erlangte, fällt es nach wie vor vielen Professoren schwer anzuerkennen, dass dieser „einfache Schuster“ unendlich viel mehr zur modernen Geistesgeschichte beitrug als sie selbst.

Antworten auf die zweite Frage fand ich dann im Anschluss an Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Denn von ihm, aus seinen Vorlesungen zur Geschichte der Philosophie, stammt der denkwürdige Satz: „Jacob Böhme ist der erste deutsche Philosoph“.

Hegel würdigte damit zum einen, dass Böhme als erster in deutscher Sprache über die Grundfragen menschlicher Existenz schrieb, und zwar auf eine nicht primär religiöse und auch nicht primär alltagsprachliche Art und Weise. Zwar hatte bereits um 1300 Meister Eckart in seinen „Deutschen Predikten und Traktaten“ die deutsche Sprache gewählt, um mit seinen Gedanken über Gott und Mensch auch das einfache, des Lateinischen nicht mächtige Volk anzusprechen. Doch zwei Qualitäten, die Philosophie von Theologie unterscheidet, finden sich erst bei Jacob Böhme: Böhme ersetzt den mystischen Begriff „Gott“ an vielen Stellen durch den für weiteres Nachdenken offeneren Begriff „Ungrund“. Und Böhme betont, dass es für die Verwirklichung der menschlichen Potenziale entscheidend ist, sich ihrer bewusst zu sein und sie dazu auch konkret zu erkennen.

Aber noch in einer anderen Hinsicht war Jacob Böhme im Sinne Hegels der erste deutsche Philosoph. In Hegels „Vorlesungen zur Philosophie der Geschichte“ heißt es: „Die Weltgeschichte ist der Fortschritt im Bewusstsein der Freiheit.“

Wenn also aller Fortschritt der Menschheit letztlich der Fortschritt im Bewusstsein der Freiheit ist – und Philosophie letztlich jene Kulturleistung ist, welche dieses „Bewusstsein der Freiheit“ nicht nur erforscht, sondern auch auf den Begriff und damit zur Wirkung bringt, so war Jacob Böhme der erste moderne Philosoph der Freiheit.

Zwar hatte Luther in seiner 1520 entstandenen Denkschrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ den Begriff der Freiheit als eine für alles menschliche Dasein zentrale Kategorie in deutscher Sprache fassbar gemacht. Doch diese Schrift blieb letztlich theologisch und bewirkte, wie Luther insgesamt, eine sehr ambivalente Auffassung der Freiheit.

Jacob Böhme dagegen drängte es, die Grundlagen menschlicher Freiheit auf eine Weise zu verstehen und auszudrücken, welche dem inneren Ringen des Menschen um sich selbst und seinen Lebenssinn gerecht wird. Um dies zu verdeutlichen, zuerst ein Gedanke aus seiner Schrift „Drei Prinzipien göttlichen Wesens“, der ihn unmissverständlich zum Philosophen macht und damit auch die Philosophie wieder auf die Höhe ihrer eigentlichen Intention bringt, die ihr erstmals die alten Griechen gegeben hatten:

„Es kann ihm ein Mensch von Mutterleibe an im ganzen Lauff seiner Zeit in dieser Welt nichts fürnehmen, das ihme nützlicher und nöthiger sey als dieses, daß er sich selbst recht lerne erkennen,

was er sei?

woraus oder von weme?

wozu er geschaffen worden? und

was sein Amt sey?“

Für Jacob Böhme ist ein Mensch also ein Individuum, dessen wichtigste Aufgabe es ist, seine persönlichen Prägungen und Bestimmungen zu erkennen. Denn nur, wenn er diese erkannt hat, ist er in der Lage, nicht einfach unbewusst den Regeln seiner Familie, Religion oder Nation zu folgen, sondern seine besonderen Potenziale zu verwirklichen. Um diese persönliche Bestimmung erkennen und verwirklichen zu können, ist es laut Böhme wesentlich, sich der Fähigkeit der Freiheit zu vergewissern.

Damit Freiheit nicht nur als Illusion erscheint, verortet er ihren Ursprung nicht irgendwo, sondern geradezu am Grund aller Dinge. In seinem Buch „Vierzig Fragen von der Seelen“ drückt er dies am deutlichsten in folgendem Satz aus:

„Erstlich ist die ewige Freyheit, die hat den Willen, und ist selber der Wille. Nun hat ein ieder Wille eine Sucht etwas zu thun oder zu begehren, und in demselben schauet er sich selbst: er siehet in sich in die Ewigkeit, was er selber ist; er machet ihm selber den Spigel seines gleichen, dann er besiehet sich, was er ist: so findet er nun nichts mehr als sich selber, und begehret sich selber.“ 

Die menschliche Freiheitssehnsucht, die erst aus der persönlichen Vergewisserung der Ewigkeit oder des Ganzen erwächst, ermöglicht denn auch viel mehr als nur egozentrischer Beliebigkeit. Sie führt zur persönlichen freien Entscheidung für die Liebe. In seiner Schrift „Von der Menschwerdung“ äußert er so einen weitreichenden Gedanken:

„Der wahre Glaube ist eine Macht Gottes. Ein Geist mit Gott: Er wircket in Gott und mit Gott, er ist frey und an keinen Artikel gebunden, als nur an die rechte Liebe, darinnen holet er seines Lebens Kraft und Stärcke.“

Böhmes erstaunliche Bedeutung für die menschliche Kultur‑, Geistes- und damit auch Realgeschichte erwuchs daraus, dass er als einer der ersten Denker der Neuzeit bisher so nicht erschlossene Möglichkeiten menschlicher Freiheit und Liebe bewusst machte und damit bei anderen Menschen Begeisterung inspirierte. Diese Begeisterungswirkung geschah entweder direkt, bei denen, die seine Schriften lasen; oder indirekt über jene, die direkt von ihm inspiriert wurden und diese Inspiration dann auf ihre Weise an andere weitergaben.  

Edith Mikeleitis gelingt es in ihrer Romanbiografie, sowohl das innere Ringen Böhmes um eine neue, zeitgemäße menschliche Selbsterkenntnis als auch seine Inspirationswirkungen im unmittelbaren und weiteren Umfeld auf andere auf sehr schöne und plastische Art und Weise nacherlebbar zu machen. Die Arglist der Widersacher, welcher jeder zu spüren bekommt, der sich wie Böhme in neue menschliche Möglichkeiten vorwagt, spart sie dabei nicht aus – auch das trägt zur Spannung dieses nicht nur sehr lebensnahen, sondern auch sehr geistvollen Buches bei. Denn wie nebenbei macht sie den Leser anhand der jeweiligen Entstehungs-geschichte von Böhmes Büchern auch mit dessen konkreten philosophischen Gedanken bekannt.

Damit dieser erstaunliche philosophische Gehalt des Buches auf die sicher aus verschiedenen kulturellen Zusammenhängen stammenden Leser vorurteilsfrei wirken kann,  noch eine Bemer-kung zum Entstehungskontext und einigen nur daraus verständ-lichen sprachlichen Besonderheiten des Buches:  

Ähnlich wie Böhme selbst seine Werke in einer schwierigen Zeit, inmitten des dreißigjährigen Krieges, verfasste, so schrieb auch Edith Mikeleitis ihr Buch in der komplizierten Situation Deutschlands um 1940 und veröffentlichte es 1941, d.h. inmitten des zweiten Weltkriegs. Da jeder Schriftsteller nicht nur ein Kind seiner Zeit ist, sondern seine Werke auch für seine Zeit schreibt, ergibt sich daraus an einigen Stellen des Buches eine seltsame Ambivalenz: Der Geist des Buches weist deutlich in eine Welt, in der die Menschheit über ideologische Machtgier und kulturelle Höhlen aller Art hinausgewachsen ist. Doch vermutlich um dies zu ihrer Zeit überhaupt öffentlich ausdrücken zu können, verkleidet Edith Mikeleitis es hin und wieder in Wortspiele, die man auch als etwas zu starke Betonung des Deutschen bei diesem ersten deutschen Philosophen deuten könnte.

Ähnlich zeitbedingt sollte man ihre an manchen Stellen vielleicht etwas zu starke Abwertung der Religionen einordnen. Auch wenn die Verfolgung und Verurteilung Jacob Böhmes durch die Kirchenvertreter seiner Zeit ein klassisches Beispiel für die geistigen Verengungen und Fehlurteile von institutionali-sierten Religionen ist, so wurde andererseits die erstaunliche geistige Leistung Böhmes nur im Kontext der christlichen Geistesgeschichte möglich und in vielfacher Weise auch durch andere christliche Philosophen vor ihm mit inspiriert.  

Zum Schluss dieses Nachwortes noch einige Worte zu den ebenso wie sein Werk selbst erstaunlichen Nachwirkungen Jacob Böhmes. Bei Novalis findet sich ein Hinweis darauf: Novalis, dessen Vater übrigens ein Herrnhuter war, studierte sehr intensiv die Werke Jacob Böhmes. In seinen Studien zur Geschichte der Renaissance findet sich ein Satz, der zwar nicht direkt Böhme zitiert, doch der dessen befreienden Geist ebenso schön wie dieser Roman von Edith Mikeleitis zum Ausdruck bringt: „Philosophieren bedeutet die Apathie aufzulösen und zu neuem Leben zu erwachen.“

Ähnlich wie Novalis wurden viele weitere Dichter und Denker, aber darüber hinaus auch bedeutende Gestalten in Wissenschaft und Politik in aller Welt von Böhme inspiriert. Die amerikanische Wissenschaftsjournalistin Marylin Ferguson umreisst in ihrem Buch „Die sanfte Verschwörung“ diese Bedeutung Jacob Böhmes für die nicht nur europäische, sondern weltweite Kulturgeschichte:

„So wie Böhme auf Swedenborg einen gewissen Einfluss ausübte, der seinerseits Blake beeinflusste, so übten alle drei eine Wirkung auf die Transzendentalisten aus (Zitateinschub von Maik Hosang: mit dem Transzententalisten meint sie dir für den amerikanischen Freiheitsgeist des 20. Jahrhunderts maßgeblichen Ralph Waldo Emerson, Henry Thoreau, Margaret Fuller und andere). Die Transzendentalisten wiederum hinterließen ihre Spuren in der Literatur, Erziehung, Politik und dem Wirtschaftsleben mehrerer Generationen, sie beeinflussten … John Dewey, die Gründer der britischen Labour Party, Ghandi und Martin Luther King und andere.“

Diesen Worten ist nichts weiter hinzuzufügen.

 Maik Hosang, Görlitz im März 2019














 





Zuletzt geändert: Donnerstag, 22. Februar 2024, 12:10